An Old Lady

& das Erbe aus dem 18. Jahrhundert


An dieser Stelle sei ein kurzer, komprimierter Ausflug in die Geschichte  gewährt:

 

Wenn ich in der Regel eher mit einer vergleichbar handlichen, japanischen Zugsäge und einer in die Jahre gekommenen Pendelhubsäge meines Großvaters arbeite, so nutze ich bei größeren Arbeiten auch gerne ein entsprechend größeres Kaliber.

 

In diesem Fall eine aus dem 18. Jahrhundert stammende Horizontalgattersäge, die etwa 1796 bereits auf dem Gelände ihren Betrieb versah. Angetrieben von einer Windmühle über Transmission.

 

Der Umgang mit dieser höchstwahrscheinlich aus England stammenden Maschine war und ist eine stete Herausforderung. Ich spreche in diesem Zusammenhang auch gerne von einem Allsensorischen Sägen, da man ständig alles im Blick haben und jeden noch so leisen Unterton wahrnehmen muss.

 

Typisch für eine Lady ihren Alters: Unangemessenes Verhalten wird nicht toleriert. Fehler macht man nur einmal. Denn es ist eine arge Kraftanstrengung beispielsweise den zentralen Riemen vom Kraft- zurück auf das Leerlaufrad an der Hauptwelle zu bewegen, während man dabei gegensätzlich wirkende Zug- und Bewegungskräfte harmonisieren muss.

Die Vermutung, dass es sich bei unserer Gattersäge um ein Produkt englischer Ingenieurskunst handeln könnte, basiert auf dem Wissen, das England im 18. Jahrhundert führend in der Eisen- und Stahlverarbeitung wahr, weshalb beispielsweise auch Friedrich der Große dort entsprechend "inoffiziell forschen" ließ. Zudem muss man wissen, dass man in Ostfriesland stets enge Handelsbeziehungen zum Inselstaat pflegte und viele Ostfriesen als Seeleute auch dort gesucht und begehrt waren. Und es damit also nicht ungewöhnlich war, das  entsprechende technische Innovationen bei uns bekannt wurden und auf entsprechendes Interesse trafen.

 

Nicht zuletzt darf man annehmen, dass die Vorfahrin meiner Frau im 18. Jahrhundert bereits eine starke und versierte Unternehmerin war, die auf Qualität setzte, um sich langfristig in einem Frauen eher feindlich gesonnenen, gesellschaftspolitischen Umfeld zu behaupten, als sie 1775 zusammen mit ihrem Sohn, das Erbe ihres Mannes antrat und einen langen, bürokratischen und hürdevollen Weg in die Selbstständigkeit beschritt.

 

In diesem historischen Wissen und dass quasi schon 1796 einige Familienmitglieder meiner heutigen Ehefrau an der Gattersäge gearbeitet haben, erfüllt es mich jedesmal mit einem starken Gefühl der  Ehrfurcht und Dankbarkeit mit dieser alten Dame arbeiten zu dürfen. Allein deswegen kann jedes von mir gefertigte Werkstück eine einzigartige Geschichte erzählen. 


Nicht zuletzt besitzen deshalb alle Werkstücke einen gewollten, individuellen Charakter. Stets wird jedoch auch mindestens ein Teil verarbeitet, was bisher schon in einer anderen Form im Bereich Wohnen, Leben, Arbeiten oder beispielsweise an einem geschichtsträchtigen Ort in der Natur gediente oder als Baum dort lebte und somit einen ganz eigenen Teil zur Geschichte und Funktion des neuen Werkstückes beträgt.

Nicht selten sind jene "Altenteile" selbst die Quelle der Inspiration.

 

Hier nun eine kleine Auswahl meiner kreativen Holzverarbeitung.